/tmp/mapping_02/forschungszentrum-juelich
Digitalmontage
12 Min.
Die
Digitalmontage basiert auf einer Photoserie und wurde als Medieninstallation
in der zentralen Bibliothek des Forschungszentrum Juelich im Kontext
der Konferenz “Bibliometric Analysis in Science and Research
Applications, Benefits and Limitations" gezeigt.
In der Naehe des Eingangs waren alle Buecher eines Regals umgedreht
worden, sodass die Titel der Betrachtung entzogen waren. Auf diese
Weise bildeten sie eine grosse helle Projektionsflaeche von ca.
2x3 Metern. Die Videoprojektion auf dieser Buecherwand zeigt Aufnahmen
von umgedrehten Buechern und Zeitschriften, aufgenommen vor Ort
und entnommen den fuenf Forschungsschwerpunkten: Informationstechnik,
Energietechnik, Materialforschung, Umweltvorsorgeforschung, Lebenswissenschaften.
Der Arbeitsansatz beruht auf einer aesthetisch minimal angelegten
Interventionspraxis. Upside down entstehen verdichtete Visualisierungen
komplexer Ordnungsstrukturen, mentaler Raeume und Textlandschaften,
die unsere heutige Wissensgesellschaft nachhaltig mitgestalten.
Jegliche geschriebene Notizen und Objekte mit Bild- oder Textinformation
unterliegen ebenfalls der formalen Anordnung dieser Intervention.
Der Betrachter wird in die Lage versetzt, sich in meditativer
Weise mit den Intentionen und Auswirkungen wissenschaftlicher, technischer
und geistiger Aktivitaeten, sowie dem immerwaehrenden forschenden
und neu ordnenden Schaffensbeduerfnis und Wissenstrieb des Menschen
auseinanderzusetzen.
Buecher enthalten und sind gleichermassen die medialen Avatare fuer
differenzierte Theorien, hinter denen sich vielschichtige Wuensche,
Aengste, Obsessionen verbergen, die sich in Analysen, Plaenen, Entwuerfen
und Utopien aeussern. Das Ziel ist, prima materia und conditio humana
zu begreifen und sie in manipulativer Weise aktiv mitgestalten zu
wollen. Hierbei bildet die textura ex libris ein wesentliches Informationssystem.
ConText 01
Dislocation Series
Lambda / Inkjet
2005/6
Das Photo wurde aufgenommen und 2006 in der I.M.Rudomino Staatsbibliothek
fuer Auslaendische Literatur Moskau ausgestellt, wo sich ebenfalls
The American Center befindet. Der offene Ausstellungsraum bildete
die Szenerie fuer eine Photoinstallation, die den Aufzug, das Treppenhaus,
die acht Glasvitrinen und die umgebenden Waende mit einbezog, gelegen
zwischen The American Center und dem gegenueberliegenden Katalogsaal.
Viele Besucher durchqueren diesen Bereich taeglich um verschiedene
komplexe Informationen zu erhalten und in Wissens- und Bedeutungswelten
einzutauchen. Dieser offene Raum bereitet die Besucher darauf vor,
Lesesaele zu betreten, und er empfaengt sie wieder wenn sie die
Lesesaele verlassen als eine offene Vor-Bibliothek, ein Ort, der
sensitive Fragen stellt in Bezug auf unsere Wissensgesellschaften.
Was ist Wissen? Was verstehen wir unter Bedeutung? Was sagt uns
ein Dokument? Wie beeinflusst der Kontext die Wahrnehmung einer
Information? Unter welchen Bedingungen findet eine Migration des
Wissens statt? Wie sinnlich gehen wir mit gedanklichen Dislokationen
um?
So bildet das Photo und die Wand zwischen dem offenen Raum und The
American Center eine Membranzone der Kommunikation und Bedeutung.
Der (amerikanische) Text und das (russische) Objekt dialogisieren,
indem sie die Information und ihre Bedeutung im ConText thematisieren
und dislokativ erneut texturisieren.
"Lisa
Schmitz hat in den letzten Jahren eine eigenstaendige Methode entwickelt,
Bibliotheken zu fotografieren. Waehrend die bekannten Bibliotheksfotografien
von Candida Hoefer eine getreue Wiedergabe der Realität im
Stil des fruehen Dokumentarismus sind, stehen die Bibliotheksfotografien
von Lisa Schmitz im Zeichen einer Post-Fotografie. Im Anschluss
an die in den 1970er und 1980er Jahren entwickelte konstruierte
und inszenierte Fotografie, hat die Kuenstlerin diese Erfahrungen
aufgegriffen, daraus ihre eigene Lehre gezogen und eine ganz spezielle
Form der Dokumentation ausgearbeitet.
Sie interveniert in den Bibliotheken, bevor sie fotografiert und
zwar an der zentralen Stelle, naemlich der Information. Sie dreht
alle Buecher um, sodass nur das Buch zu sehen und nicht die Information
zu lesen ist. Sie bedeckt alles beschriftete Papier mit weissem
Papier. Sie loescht gleichsam die Schrift, das Wesen des Buches,
und negiert damit das Archiv, das Wesen der Bibliothek. Die Fotografien
zeigen die Bibliothek im Zustand der Informationslosigkeit, im Zustand
der weissen Leere. So bleibt uns die Bibliothek allein als Bild
einer aesthetischen Erfahrung."
Peter Weibel"Over the past several years, Lisa Schmitz has
developed a unique method for photographing libraries. Whereas the
well-known library photographs by Candida Höfer are genuine
reproductions of reality in the era of early documentarism, the
library photographs by Lisa Schmitz are in the constellation of
post-photography, a form of documentation following from the constructed
and staged photography developed in the 1970s and 1980s. The artist
has taken on these experiences and developed her own theory from
them. She intervenes in the libraries before taking photos and does
so at the central point, namely, the information. She turns all
of the books around so that only the white paper is visible rather
than the book spine. She covers all of the printed papers with blank
paper. She erases, as it were, the writing, the essence of the books,
and thereby negates the archive, the entity of the library. The
photographs show the library in a state of informational void, a
state of empty white. In this way, remaining as the sole image of
aesthetic experience is the library."
Peter Weibel
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